Erfahrungsbericht RSU: Ann-Christin Schmidt aus Köln


Nachdem Academic Embassy Ann-Christin Schmidt im Bewerbungsprozess für das Studium der Humanmedizin an der Riga Stradins University unterstützt haben, wird Sie nach dem vierten Semester an eine deutsche Universität wechseln. Im Folgenden berichtet Sie uns über Ihre Erfahrung in Riga.

Bewerbungsphase für die Riga Stradins University

Bevor ich mich an die Academic Embassy gewandt habe, hatte ich mich bereits für die Riga Stradins University entschieden. Durch eine Bewerbung für ein Zweitstudium in Deutschland hatte ich sehr schlechte Erfahrungen mit undurchsichtiger Bürokratie und ungenauen Angaben hinsichtlich der abzugebenden Unterlagen gemacht. Aber mit Hilfe der Academic Embassy habe ich nicht nur meine Bewerbungsunterlagen für die RSU inhaltlich optimiert, sondern auch emotionale Unterstützung gehabt und einen Ansprechpartner mit Herrn Zimmermann, der wirklich immer zeitnah mit Rat und Tat zur Seite stand. Ich war sehr entlastet und hatte auch viel weniger Angst eine Deadline oder Unterlagen zu vergessen. Ich habe in Riga unzählige andere Bewerber*innen getroffen, die ebenfalls mit Herrn Zimmermann die Bewerbung gemacht haben und wir alle würden es zu 100% weiterempfehlen!

Studienbeginn in Riga

Vor meiner Anreise nach Riga, war ich noch nie in Lettland gewesen und abgesehen von einem Tagesausflug von Helsinki nach Tallinn auch generell keine Reiseerfahrung mit dem Baltikum. Da ich bereits gearbeitet habe, hatte ich kaum Zeit mich inhaltlich auf das Land vorzubereiten, aber warme Kleidung war natürlich eingepackt und auch angebracht, da es im Winter extrem kalt und matschig ist. Ich habe meinen ersten Monat in einem Airbnb verbracht und 2022 war auch noch sehr von Corona geprägt. Riga Old Town und das Zentralviertel, wo ich die letzten zwei Jahre über gewohnt habe, sind wunderschön und sehr gepflegt und sauber. Ich habe mich in der ganzen Zeit hier nie unwohl gefühlt abends alleine nach Hause zu gehen, weil alles immer gut ausgeleuchtet ist. Unsere Einführungswoche stand auch noch unter dem Stern von Corona, weshalb diese primär online stattgefunden hat. Wir haben aber zumindest eine Einführungsveranstaltung gehabt, wo wir eine Schnitzeljagd durch die Stadt gemacht haben und haben uns sonst über Whatsapp verabredet und in der Cartel Bar (bekannteste RSU Studentenbar) getroffen.

Studium Humanmedizin an der RSU

Das Studium an der RSU ist sehr verschult. Ich war mit maximal 15 Leuten in einer Kleingruppe und mit dieser Gruppe hat man alle Fächer. Man bekommt einen Stundenplan und Zugang zu einem E-Studies Portal, wo alle Unterlagen hinterlegt sind. Im Gegensatz zu meinem Erststudium gibt es hier eine Anwesenheitspflicht und die Professor*innen kennen ggf. sogar die Namen der Studierenden. Man kann immer Emails schreiben mit Fragen oder Problemen und kriegt meines Erachten immer eine schnelle Rückmeldung, was in Deutschland nicht unbedingt der Fall ist. Man hat permanent Tests und auch Abgaben und ist so gezwungenermaßen viel kontinuierlicher dabei, den Stoff zeitnah anzuwenden bzw. zu wiederholen. Die Tests und Abgaben werden vorher angekündigt, allerdings wird über den Zeitpunkt von Klausuren zum Teil recht kurzfristig entschieden, was die Planung manchmal erschwert. Anschaffungen waren für mich bisher überschaubar, da wir bis zum 5. Semester eigentlich nur einen Kittel und Stethoskop brauchten und keine anderen physischen Materialien.

Am besten fand ich bisher die Fächer Biochemie und Physiologie, da wir hier sehr gute Tutoren hatten und auch viel Wert daraufgelegt wird, dass die Schüler die Materie verstehen. Englisch als Unterrichtssprache bereitet mir keine Probleme, allerdings ist das Englischniveau mancher Dozenten nicht so gut, so dass es ab und zu Verständigungsprobleme geben kann.

Das Studentenleben in Riga

Die meisten Studenten leben in der Altstadt oder im Zentraldistrikt, aber die Universität ist auf der anderen Seite des Flusses in einem Teil von Riga, in dem ich ehrlicherweise nur bin, wenn ich zur Uni muss. Man fährt auch mit dem Auto oder Bus mindesten 20 Minuten hin, aber es lohnt sich kaum dort zu wohnen, weil sich das Leben in der Innenstadt abspielt. Direkt neben der Uni gibt es noch ein Studentenwohnheim, wo man auch wohnen kann, aber die Miete ist verhältnismäßig hoch und man ist eher isoliert. Die Universität selbst ist eher überschaubar und auch im Hauptgebäude nicht sonderlich schön. Im letzten Jahr kam ein neues Gebäude hinzu und die Bibliothek wurde renoviert, was neue Räumlichkeiten zum Lernen geschaffen hat, die bisher sehr spärlich waren. Die Verpflegung auf dem Campus ist durch eine Cafeteria gegeben, allerdings gibt es keine Angebote für z.B. Veganer*innen und ich als Vegetarierin fand es häufig eintönig und generell sehr teuer. Wenn man gerne in einer richtigen Bibliothek lernt, kann man auch auf die Räumlichkeiten der University of Latvia ausweichen, die stehen auch Studierenden der Riga Stradins University zur Verfügung.

Ich habe während meiner Zeit in Riga in einer WG im Zentraldistrikt gewohnt und würde auch jedem empfehlen, das zu machen. Einzelwohnungen sind deutlich teurer und qualitativ (Einrichtung, Altbau vs. Neubau etc.) nicht zu vergleichen. Generell sind die Wohnkosten niedriger als in Deutschland, allerdings sind die Nebenkosten durch den Russland-Ukraine Krieg merklich gestiegen. Ich habe meine gesamte Zeit in Riga zu Fuß oder mit dem Bus bestritten, was total machbar ist, weil alle meine Freunde im Umkreis von 20 Minuten wohnen. Zum Flughafen kann man von mir aus (circa 30 Minuten Fahrt) auch gut für circa 10-15 Euro ein Bolt oder Uber nehmen. Generell gibt es in Riga sehr viele Deutsche und schwedische Studierende, weshalb mein Freundeskreis zu 90% Deutsch ist. Innerhalb der Klassen an der RSU kann man sich auch im Vorfeld entscheiden, ob man nur mit seiner Nationalität oder in gemischten Gruppen unterkommen möchte. Der Kontakt zu anderen lettischen Studierenden ist im Klassenverband nicht gegeben (Internationals und Lett*innen haben getrennt Unterricht). Generell gibt es super viele Sportgruppen (Roadrunner, Volleyball, Hockey) von der Universität aus organisiert und die verschiedenen Studentenorganisationen organisieren auch regelmäßig Partys.

Einkaufen in Riga kann man zwar auch in den lokalen Supermarktketten (z.B. RIMI, MAXIMA), aber mittlerweile gibt es auch Lidl in Riga. Leider gibt es häufig weniger Auswahl im Supermarkt und man ist gerade als Vegetarier/Veganer*in in Deutschland extrem verwöhnt von der Vielfalt der Ersatzprodukte und auch guter Käse fehlt sehr! Das Preisniveau für Wohnen und ÖPNV ist zwar niedriger als in Deutschland, aber nicht für Lebensmittel und Ausgehen (Essen gehen, Drinks etc.).

Mir gefällt besonders an Riga, dass es sehr gepflegt und alles fußläufig ist. So konnte man sich viel schneller einen Eindruck verschaffen und orientieren. Die Tatsache, dass die besten Freunde nur einen Katzensprung entfernt wohnen, ist natürlich auch Gold wert! Auch ist man nicht aus der Welt, wenn mal etwas in Deutschland stattfindet. Für einigermaßen humane Preise kann man mit Ryanair oder Air Baltic nach NRW oder auch Berlin sehr gut zurückfliegen. Die Uni hat zwei Semester lang einen Pflichtkurs Lettisch, den man auch mit einer mündlichen Prüfung abschließt, allerdings nutze ich in meinem Alltag eher Englisch und hätte präferiert, wenn wir Russisch in der Zeit gelernt hätten, da es einfach mehr Leute sprechen und auch in Lettland die Mehrheit. Am meisten an Deutschland habe ich meine Familie und Freunde und auch mein Leben in Köln vermisst. Riga ist zwar Hauptstadt Lettlands, aber trotzdem vom Gefühl eher wie eine kleinere Stadt. Dennoch lohnt sich die Reise nach Jurmala oder Bolderaja an den Strand mit dem Zug (3 Euro hin und zurück – sehr günstig hier!) oder einem Bolt. Vor allem den Sommer und auch Midsommar hier zu erleben ist wunderschön!

Ich denke, wenn ich im Dezember Riga verlasse, werde ich am meisten meine Freunde und unsere gemeinsamen Abende in der Cartel Bar vermissen und das gemeinsame (Kater-)Frühstück bei Big Bad Bagels (eine Institution unter Studierenden und absolute Empfehlung!). Es war eine gute Zeit in Riga und ich bin dankbar, dass ich hier bis zum Physikum studieren konnte.

 

Beste Grüße,

 

Ann-Christin